10Juli
2015

Transportation-Vierkampf, die 2.: mit dem Zug nach Prince Rupert

Zugfahren in Kanada ist anders.

Kanada hat 52.000 Schienen-km, Deutschland zum Vergleich 33.500. Nur ist Kanada 28 mal so groß wie Deutschland, bei 35 Mio. Einwohnern.

1.200 km der Schienenstrecken wollte ich bereisen: Von Jasper in den Rocky Mountains Richtung Westen nach Prince Rupert am Pazifik.

Zunächst zum Zug: Waggons aus den 50er Jahren, Retro-Sitze aus einer Generalrenovierung von 1990. Mit mechanisch ausklappbaren Unterschenkelstützen, herrlich.

Aber auch: Steckdosen am Platz, und eine computergestützte Toilettenspülung, die laut Aussage unserer Zugbegleiterin Diane 1-mal am Tag gebootet werden muss. Und wenn 1 Toilette eine Fehlfunktion hat, funktionieren die anderen auch nicht mehr.

Wir freuen uns auf die insgesamt 20-stündige Fahrt.

Der Zug besteht aus 1 Lokomotive und 3 Waggons: Gepäck, Fahrtgäste, Panorama/Catering.

Wir waren 56 Fahrgäste, wobei die 29 Japaner nach 1 Stunde ausstiegen.

Die 27 verbliebenen Taschen und Koffer verlieren sich etwas in dem riesigen Gepäckwagen, wie wir später bei einer Besichtigung feststellten.

Einmal hielt der Zug mitten auf der Strecke, um eine Mutter mit ihren 4 Kindern an ihrer Farm rauszulassen.

Pünktliche Ankunft um kurz nach 19h in Prince George. Overnight Stop, Hotel hatte ich wie gewünscht vorher gebucht.

Abfahrt war für den nächsten Morgen um 08:00h geplant, aber lieber vorher durchrufen, ob der Zug Verspätung hat. Wir erhalten die Rufnummer handgeschrieben auf einem Notizzettel.

Wie empfohlen rief ich am nächsten Morgen um 7 Uhr am Bahnhof an:

Guten Morgen, ich wollte fragen, wann der Zug nach Prince Rupert heute abfährt.“

Please be here at twelve thirty.“

So check in for the train is at twelve thirty, one-two-three-o?“

Yes.“

Per Mail hatte ich die Informationen über die Verspätung ebenso erhalten, die Abfahrt war zunächst auf 13:40h, dann auf 13h taxiert worden.

Es stellte sich heraus, dass unser Lokführer für den 2. Tag am Abend vorher mit großer Verspätung eingetroffen war und seine 10-stündige Ruhepause einhalten musste.

Die Bahn in Kanada ist seit Beginn der 90er privatisiert, da ist so etwas nichtkurzfristig lösbar.

Die Rezeptionistin im Motel verlängerte meinen Checkout freundlicherweise von 11h auf 12h.

Es war Viertel nach 7, und ich war bereit für mein Tagwerk. Die Verspätung von 5 Stunden bremste mich zunächst etwas aus, doch ich nutzte diese für Reiseplanung, Einkaufen, Mittagessen.

Ankunft in Prince Rupert war ursprünglich 20:25h, jetzt halt 01:25h. Who cares?
(Eventuell die deutsche Familie, die um 6h schon wieder an der Fähre sein muss.)

Das sind sämtliche Abfahrten der 72.000-Einwohner-Stadt Prince George: 6 Abfahrten pro Woche, je 2 Donnerstag, Samstag und Montag.

 

 

Also, um 13h saßen alle brav im Zug. Alle? Nein, alle bis auf zwei. Mutmaßung: Die hatten nur die erste Mail gelesen mit der Abfahrt um 13:40h, nicht die zweite mit 13h. Um 13:10h wurde entschieden: Wir fahren.

Nach 1 km Fahrt kam ein Funkspruch, dass die beiden fehlenden Fahrgäste nun am Bahnhof seien. Der Zug hielt, und eine Bahnangestellte brachte die beiden mit ihrem Auto auf der freien Strecke zum Zug. Um 13:25h hieß es „Boarding completed!“ und es ging weiter.

In Kanada haben Frachtzüge Vorrang gegenüber Personenzügen. Große Teile der Schienenstrecken sind einspurig, und da muss halt einer warten. Nämlich der Personenzug. Bei einem der entgegenkommenden Frachtzüge habe ich gestern 188 Waggons gezählt. D.h. der Zug war gute 2,8 km lang.

Diane erzählte später in einer Ihrer Bahn-Anekdoten, dass die Frachtzüge häufig 2 Meilen lang sind, das sind 3,2 km!

Es waren viele Frachtzüge unterwegs, und so verloren wir auf der Fahrt weitere 4 Stunden und kamen mit 9,5 Stunden Verspätung in Prince Rupert an.

Morgens um 6h.

Zugfahren in Kanada ist anders.