15August
2015

Ottawa

Jetzt ist es doch passiert.

Bis zur Hauptstadt bin ich gekommen.

 

Knast.

Zumindest nachts.

Tagsüber darf ich raus.

 

Von 1862 bis 1972 war es der Ottawa County Jail.

Dann haben sie endgültig entschieden, dass die Bedingungen hier menschenunwürdig sind, und ein Backpackers-Hostel draus gemacht.

 

Anfang der 90er war ich mal in Kanada, da hatte Ottawa einen lausigen Ruf. Regierungsort, langweilig, bloß nicht hinfahren.

Das hat sich komplett gewandelt. Heute wird Ottawa von nahezu allen Reisenden empfohlen.

Und mir gefällt es auch sehr gut.

900.000 Einwohner, in Ontario und am Ottawa River liegend, wenn man über die Brücke geht, ist man aber schon in der Provinz Quebec.

Queen Victoria hat diesen Standort 1857 als Hauptstadt bestimmt. Die Kanadier konnten sich nicht einigen zwischen Quebec, Montreal, Toronto und Kingston und baten Queen Victoria um eine Entscheidung.

Und die war Ottawa.

Die Kanadier waren geschockt. Denn in Ottawa gab es damals außer ein bisschen Militär und vielen Bäumen nichts.

Man unkte, Victoria habe mit verbunden Augen eine Nadel in die Landkarte gesteckt, und Ottawa so gefunden. Mit Ironie lobte man die Entscheidung: Kanada könne jetzt nicht mehr von einer fremden Armee erobert werden, weil diese die Hauptstadt gar nicht finden würde.

Letztendlich war die Wahl aber wohl so gefallen, weil Ottawa auf der Grenze zwischen dem englisch- und französichsprachigen Teil liegt, und weit genug entfernt von den US-Amerikanern, denen man damals massiv misstraute.

Und heute sind alle froh mit der Entscheidung.

(Ich muss an dieser Stelle daran denken, wie viele Proteste es gab, als Deutschland den Umzug von Bonn nach Berlin hatte.)

Was gibt es in Ottawa?

Parliament

Sieht irgendwie aus wie Hogwarts.

Wachwechsel jeden morgen um 10h.

Sehr britisch, weil die Queen ja auch hier die Queen ist.

Und eine atemberaubende Bibliothek, ebenfalls wie Hogwarts.

Jeden Abend gibt es vor dem Parliament eine halbstündige Lightshow mit Kommentaren zur Geschichte Kanadas.

Rideau Canal

Der Rideau-Kanal wurde nach den amerikanisch-britischen Krieg 1812 erbaut. Er ist 202 km lang, Weltkulturerbe, und verbindet Ottawa mit Kingston.

Im Winter entsteht auf dem Kanal im Stadtzenrum mit 6,4 km die weltweit größte Schlittschuhlauf-Anlage.

Insgesamt gibt es 47 Schleusen, wobei mindestens die letzten 7 vor dem Ottawa River mit Hand betrieben werden: Wasserklappen mit Handkurbeln, Schleusentore mit Handkurbeln. Da wissen die jobbenden Studenten abends auch, was sie den ganzen Tag gemacht haben.

Museum of History

Ich fand das Museum etwas old fashioned. Exponate mit erklärenden Tafeln, die teilweise durch schummeriges Licht oder reflektierende Scheinwerfer kaum zu lesen sind. Moderne Medien Fehlanzeige. Sie richten aber ein komplettes Stockwerk neu ein, da sollte sich dann in der Richtung etwas tun.

Ich wollte mich mit den First Nations beschäftigen, und habe hierzu auch einige Informationen gefunden, wobei mir die kritischen Töne allerdings zu kurz kamen.

Mit First Nations werden hier die Völker bezeichnet, die schon da waren, als die Europäer ab Ende des 15. Jahrhunderts das Land "entdeckten".

Heute sprechen diese Völker in Kanada noch 53 verschiedene Sprachen, und stellen mit 1 Million Einwohnern gut 3% der Bevölkerung.

In den frühen gemeinsamen Phasen gab es immer wieder Auseinandersetzungen, es wurde aber auch Handel getrieben und verschiedene Verträge wurden geschlossen. Die Europäer haben sich bloß nicht immer dran gehalten. Bei der Bildung Kanadas ab 1864 saßen die First Nations nicht mit am Tisch. Im 19. und 20. Jahrhndert gab es starke Missionierungsbestrebungen bei Religion, Erziehung, Jagd, Anbau; Kinder wurden aus Ihren Familien herausgenommen und in sogenannte "residential schools" geschickt. Ein kanadischer Roommate erklärte mir, dass die Nachwirkungen dieser Aktionen in der Erziehungskultur der First Nations People noch heute zu spüren sind.

Irgendwie haben es die Kolonialmächte weder in Australien noch in Neuseeland geschafft, ein faires Miteinander mit den Ureinwohnern zu arrangieren, und auch in Kanada ist es nicht gelungen.

Vielfach werden die Dinge erst seit wenigen Jahren aufgearbeitet.

 

National Gallery of Canada

Dieses Museum wiederum fand ich toll.

Kanadische und europäische Kunst, Austellungen von Chagall und dem kanadischen Künster Colville.

Ich steh ja am meisten auf Contemporary Art. Ich finde es einfach bewundernswert, wenn jemand die Idee hat, ein Bügelbrett vom Sperrmüll zu holen, mit Farbe zu versehen, und es dann auch noch schafft, dass dieses in der Nationalgalerie ausgestellt wird.

Toll.

Auch Andy Warhol hat hier mit 7 gestapelten Kartons seinen Platz gefunden.